Gastbeitrag von Constanze Treue
Das 2022 aufgelegte Förderprogramm „KulturErhalt“ des Freistaates Sachsen ermöglichte die Erschließung und Dokumentation einer etwa 300 Stück umfassenden Sammlung von Erzeugnissen der Steingutfabrik von Villeroy & Boch Dresden. Alle Objekte sind nach wissenschaftlichen Fachstandards bestimmt sowie mit Zusatzinformationen versehen worden. Zudem gibt es zu jedem Stück mehrere Objektfotografien. Sie stehen nun für die Verwendung bei Ausstellungen, in Publikationen oder auch Internetprojekten zur Verfügung und können in der Online-Datenbank der Museen der Stadt Dresden angeschaut werden.
Die 1856 eröffnete Dresdner Steingutfabrik Villeroy & Boch – ein Trendsetter modernen Industriedesigns – war im frühen 20. Jahrhundert der führende Standort des im Saarland beheimateten Familienunternehmens. Das Angebot reichte von Fliesen und Sanitärobjekten, Haushaltgeschirr und Zierwaren, Labor- und Ladeneinrichtungen bis zu repräsentativen Wandbildern und Brunnenanlagen. Der von Villeroy & Boch eingerichtete Milchladen von Gebrüder Pfund in der Dresdner Neustadt ist noch heute als der „schönste Milchladen der Welt“ ein Touristenmagnet. Aus der renommierten Kunstabteilung der Fabrik stammt unter anderem die Figur der Schutzgöttin der Stadt Dresden (heute in der Ständigen Ausstellung des Stadtmuseums). Sie bekrönte ehedem den 1910 von Villeroy & Boch für das Neue Rathaus gestifteten Wandbrunnen.
In jüngerer Zeit konnte das Stadtmuseum die etwa 300 Stück umfassende Privatkollektion des Ehepaars Knorr übernehmen. Damit fand eine mehr als vier Jahrzehnte währende Sammelleidenschaft ihren krönenden Abschluss. Spiritus Rector war Jörg Knorr, den seine Liebe zu kunstvoll gearbeiteten Gegenständen aus Keramik, Glas, Metall und Holz als Museologe in das Kunstgewerbemuseum Dresden geführt hatte. 1992 wurde in Dresden und Mettlach (Saarland) in der Sonderausstellung „Villeroy & Boch Dresden 1856-1945“ erstmals das breite Spektrum von Kunst- und Alltagsgegenständen der Öffentlichkeit vorgestellt. Hierbei wirkten das Stadt- und das Kunstgewerbemuseum Dresden mit dem Keramik-Museum Mettlach zusammen.
Die Online-Sammlungsdatenbank der Museen der Stadt Dresden stellt neben den bereits vorhandenen Stücken des Bestandes „Villeroy & Boch“ nun auch die neu erschlossenen Stücke der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung: www.dresden-collection-online.de.
Die Sammlung umfasst Produkte von der Firmengründung bis 1945. Während dieser Zeit änderten sich nicht nur die Formensprache, sondern auch Mal- und Verzierungstechniken. Die über Jahrzehnte populären Wandteller mit Stadtansichten und Sinnsprüchen finden sich in großer Zahl. Die Sätze, wie „Vertrau auf Gott“, „Aus Liebe“, „Gedenke mein“ oder „Gesegnete Mahlzeit“ sind wiederholt zu lesen, werden aber in verschiedenen Verzierungen präsentiert.
Zierteller, Stempeldekor, Handmalerei, um 1870 – um 1925. In Farbgebung und Sprüchen immer wieder dem Zeitgeist angepasst, fanden die beliebten Teller mit Sinnsprüchen über viele Jahrzehnte kontinuierlich Absatz, zuletzt vor allem als Zier- und Sammelstücke.
Service oder einzelne Teller, Schüsseln, Kannen tragen typisch Dresdner Dekore: „Brombeere“, „Schotten“, „Blaue Engobe“ oder das aus der Porzellan-Manufaktur Meissen übernommene Dekor „Zwiebelmuster“, hier „Sachsmuster“ genannt.
Anfangs waren neue Produkte Eigenentwicklungen aus der hauseigenen Verzierungs-, später Kunstabteilung. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert beauftragte Villeroy & Boch Dresden freie Künstler mit Entwürfen. Das in den 1920er Jahren grundlegend erneuerte Alltagsgeschirr wies klare Formen auf und war mit einfarbigen Engoben oder geometrischen Mustern verziert.
Das mit Abstand beliebteste und am längsten verkaufte Dekor aus der Dresdner Steingutfabrik interpretiert das Vorbild des Meissener Porzellans eigenständig: Zumeist in charakteristisch blauer Farbgebung gehalten, vermittelt die als Umdruck aufgebrachte Verzierung die Anmutung sorgfältiger Handmalerei. Tatsächlich ist sie den Anforderungen einer kostengünstigen industriellen Serien- und Massenproduktion angepasst.
Bei Villeroy & Boch Dresden war Gustav Partz, der die Produktpalette modernisierte, von 1924-1929 beschäftigt. Er entwarf nicht nur neue Formen, sondern auch Dekore.
Schüsseln und Kannen gab es in Sets von bis zu fünf Exemplaren. Die Form und das Dekor blieben gleich, nur die Größe variierte.
Beim Engobieren wird der Scherben vor dem Brand in eine farbige Glasur getaucht. Mit dieser einfachen Technik war es möglich, Steinguterzeugnisse im Zeitgeschmack mit faszinierender Farbigkeit herzustellen. Die kostengünstig produzierten Waren in modernen Formen wurden geradezu zu einer der Spezialitäten der Dresdner Steingutfabrik.
Bei den Stücken mit dem Dekor „Mohnblume“ lässt sich Besonderes entdecken. Die Teller und Schüssel mit der Farbvariante „rote Blüten, grüne Stiele und Blätter“ tragen den Firmenstempel von „Villeroy & Boch Dresden“. Die Kanne und Teller mit gelben Blüten und grünen Stielen und Blättern haben neben dem Dekornamen den Firmenstempel der „Kaffee-Gross-Rösterei Max Thürmer Dresden“. Und jene Teller, die das Mohnblumendekor ganz in Blau zeigen, verweisen rückseitig auf einen Vertriebspartner von „Villeroy & Boch“ in New York: Nathan Straus & Son.