Im April wurden wir durch das Netzwerk ostmodern.org über die bevorstehende Schließung des Privatmuseums „Welt der DDR“ informiert. Auf Nachfrage erfuhren wir, alles solle verkauft werden, daher nahmen wir Kontakt mit dem Eigentümer auf und bekundeten unser Interesse an der Sicherung einiger Objekte. Es ging um einen Raumteiler von Lüder Baier aus der Tanzbar „Mazurka“ von der Prager Straße, die Tafel „Klub der Intelligenz“ aus dem Lingner Schloß und die Bleiglasfenster aus dem VEB Herrenmode an der Bärensteiner Straße.

Tafel „Kulturbund der DDR“, ehemals Lingner Schloß, Foto: Claudia Quiring
Dreiteiliges Glasfenster, ehemals VEB Herrenmode, Bärensteiner Straße 18, Foto: Matthias Hahndorf/Netzwerk Ostmodern

Die Fenster befanden sich ursprünglich im Eingangsbereich des VEB Herrenmode in Dresden-Striesen. 2017 wurde dieser Gebäudeteil aufgrund von Baumängeln abgerissen, das Glasbild aber bewahrt. Ein Vertreter des Inhabers berichtete, dass ihnen der kulturhistorische Wert klar war und eine einfache Einlagerung daher verworfen wurde. Man wandte sich daher an das städtische Denkmalamt, um eine bessere Lösung zu finden. Die Überlegung, es ins Stadtarchiv zu geben, musste aus Platzgründen fallen gelassen werden. Daher ging es dann an die „Welt der DDR“, da es dort für die Öffentlichkeit zu sehen war.

Abriss 2017, rechts rot markiert der ursprüngliche Verwendungsort, Fotos: Anja-Alexandra Kaufhold, freischaffende Künstlerin

Auch einige andere Exponate waren spannend, doch wir konnten zunächst nicht klären, ob sie tatsächlich aus Dresden kommen.

Kupferrelief und Glasfenster(?)-Entwurf in der „Welt der DDR“, Foto li: Matthias Hahndorf/Netzwerk Ostmodern, Foto re: Claudia Quiring

Inzwischen konnten wir zumindest eins klären: Material aus dem Vorlass des Innenarchitekten Martin Gersdorf, den das Stadtmuseum kürzlich entgegennehmen konnte, dokumentiert, dass das Kupferrelief ursprünglich ebenfalls in der Tanzbar „Mazurka“ hing. Es war im Barbereich, aufgeteilt zwischen Regalen, montiert. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um ein Werk des polnischen Künstlers Arkadiusz Włodarczyk (1919-2003). Die andere Arbeit konnte noch nicht zugeordnet werden.

Ursprüngliche Anbringung in der Tanzbar, Broschüre HO International 1973

Eine Schenkung der drei Objekte wurde ausgeschlossen, daher konnten wir nur auf einen „Kulturrabatt“ beim Erwerb hoffen, denn das Museum hat nur sehr geringe Finanzmittel für Ankäufe zur Verfügung und ist oftmals auf Schenkungen angewiesen.

Dann kam Anfang Juni die Ankündigung der Versteigerung. Es blieb noch kurz die Hoffnung, dass unsere „Wunschkandidaten“ nicht dabei wären. Aber nein. Wie einen Krimi verfolgten auch wir die Auktion online, hatten aber einfach keine Chance! Danach konnten wir nur hoffen, dass die Objekte wenigstens in gute Hände gelangten und vielleicht sogar in Dresden blieben. Es stellte sich heraus: Der Raumteiler wird in Thüringen in Privatbesitz eingelagert und die Schrifttafel tritt den weiten Weg über den Atlantik an. Sie wird im Wendemuseum in Los Angeles eine neue Heimat zu finden. An wen das Kupferrelief ging, ist aktuell noch unklar. Wir bleiben aber dran…

Auf Umwegen ins Stadtmuseum

Beim dritten Objekt, den Glasfenstern, geschah ein Wunder und sie kamen doch noch über einen (stark vergünstigten) Ankauf zu uns. Wie und warum? Das klärt das folgende Interview mit dem Käufer, der gerne anonym bleiben möchte.

Claudia Quiring: Wie sind Sie auf die Glasfenster aufmerksam geworden?

Käufer: Durch das Internet – ich weiß gar nicht mehr wo. Dann hatte ich mir den Tag für die Online-Veröffentlichung des Katalogs in den Kalender geschrieben. Ich habe durchgeblättert, das Glasfenster gesehen und mir gesagt: „Das ist wunderschön. Das will ich haben.“

Claudia Quiring: Ging es immer nur um dieses eine Objekt, oder hatten Sie auch noch etwas anderes ins Auge gefasst?

Käufer: Es ging eigentlich nur um dieses Stück. Naja, das eine oder andere fand ich auch ganz hübsch. Aber nicht so, dass ich es unbedingt haben wollte.

Claudia Quiring: Es gab ja auch noch ein anderes Glasfenster…

Glasfenster in der „Welt der DDR“, Herkunft unbekannt, nicht vollständig, Foto: Matthias Hahndorf/Netzwerk Ostmodern

Käufer: Das fand ich aber nicht so schön. Das Glasfenster vom VEB Herrenmode war auch im Katalog sehr schön dargestellt, gegen das Licht und so. Ich habe einfach gedacht: Wann bekommt man sowas überhaupt mal? Eigentlich gar nicht. Deshalb musste ich da hin.

Claudia Quiring: In der Ausstellung hatten Sie es dann gar nicht mehr vorher gesehen?

Käufer: Nein, ich war nicht zum Schauen vorneweg da. Die Woche zuvor hatte ich keine Zeit gehabt. Dann habe ich mich gleich morgens früh um 8 Uhr angestellt und habe es kurz gesehen. Vor der Auktion war ja gar keine rechte Zeit mehr: Die Massen strömten rein und dann ging es los. Ich habe es nur kurz gesehen und dachte: Das passt. Und dann habe ich mir einen Platz gesucht und gewartet bis es drankommt. Das war so nach 1 ½ Stunden. Dann ging es ordentlich los mit 800 € und recht schnell hoch. Der Auktionator sagte: Zum Ersten, Zum Zweiten… Und da dachte ich mir: Wenn ich jetzt nicht den Arm hebe, ist es weg. Und dann ging die Karte hoch. Im nächsten Moment dachte ich mir: Oh mein Gott, was habe ich getan?!

Und dann sagte der Auktionator nochmal: Zum Ersten, Zum Zweiten… und zum Dritten. Dann war´s geschehen. Ich habe mich schon gefreut, aber dann dachte ich: Wie kriege ich das jetzt nach Hause und wo stelle ich es hin? (lacht)

Claudia Quiring: Wie ging es dann weiter?

Käufer: Ich kam noch mit einer ganzen Reihe von Leuten ins Gespräch durch das Bild. Ich war vielleicht noch 2, 3 Stunden dort und habe das in der Zeit erstmal verarbeitet (lacht). Man macht ja sowas nicht jeden Tag. Aber zum Schluss kam ich mit dem Hausmeister in Kontakt und er hat mir erzählt, dass ihr euch dafür interessiert habt, aber da wohl nichts zustande gekommen ist. Und er sprach von einer Leihgabe. Nachdem ich am Sonntag drüber geschlafen hatte, dachte ich mir: Vielleicht wäre das erstmal eine ganz gute Lösung. Ich hatte auch Angst, dass es mir beim Transport mit vier Kumpels kaputtgehen würde. Das Glas ist ja nicht so stabil. Und dann habe ich mich bei euch gemeldet und wir haben uns darauf geeinigt, dass ich es an euch abgebe.

Claudia Quiring: Aber es ist ja erstaunlich: Sie haben den Katalog, in dem alle Maße standen, einige Tage vor der Auktion online gelesen. Sie hatten zwar keine Zeit, vorher nochmal vorbeizugehen. Aber….

Käufer: Ja (lacht): Vielleicht ist es ein bisschen so wie das kleine Kind, das das Spielzeug unbedingt haben will: Es findet es ganz toll, hat aber keine Ahnung, wie es funktioniert.

Es war wirklich so der Grundgedanke. Es gibt ja de facto keinen Markt…. Ich bin ein Kind der DDR, ich habe sie als Kind miterlebt. Für mich ist das halt auch Geschichte, die eigene Geschichte. Und ich wollte nicht, dass es irgendjemand kriegt, der es dann ins Ausland mitnimmt, oder wo die Kinder achtlos davor spielen… Das wollte ich nicht.

Claudia Quiring: Es war eine Identifikation mit der Zeit?

Käufer: Ja, mit der Zeit, mit der Kindheit. Deshalb war es mir auch so wichtig. Und darum ist es mir jetzt so wichtig, dass es ins Museum, dass es in eine Ausstellung kommt.

Claudia Quiring: Gesichert ist das Bild jetzt auf jeden Fall. Verkauft wird es nicht mehr. Aber ich kann aktuell nicht sagen, wann es in eine Ausstellung kommt. Wenn es inhaltlich passt, werden wir es definitiv in Erwägung ziehen. Wir müssen aber natürlich auch jeden Transport gut überlegen, da dieser immer eine Belastung für so eine Arbeit ist. Das Objekt ist aber glücklicherweise, bis auf ganz kleine Schäden, in einem sehr guten Zustand.

Leider gibt es in der (Dresdner) Geschichte ganz andere Beispiele des Umgangs mit Glasfenstern, z. B. beim Robotron-Gebäude. Aber zurück zum Herrenmoden-Glasfenster: Haben Sie denn zuvor schon einmal bei einer Auktion auf Etwas geboten?

Käufer: Ich habe das schon mal ab und zu gemacht und auch was Kleineres ersteigert. Aber in dieser Größe habe ich das noch nicht gemacht.

Claudia Quiring: Also was ganz Ungewöhnliches für Sie. Wir sind auf jeden Fall sehr glücklich, dass Sie sich doch so schnell wieder davon trennen konnten und es damit für Dresden gesichert ist!

Käufer: Und ich finde es schön, dass ich euch glücklich machen konnte!

Aktualisiert am 21.7.2023, 11 Uhr

Aktualisiert am 17.10.2023, 10.30 Uhr